Freitag, 19. April 2024

Übern Grund

 

Dokumentation der Ausstellung "Übern Grund" 

Klara Kohler und Fraz Frauenlob

Museumspavillion Mirabellgarten Salzburg

17.4.- 16.6.2024

                                                                                  



 














                                                                                    




Berge wurden gezeichnet, gemalt, in Holz geschnitten kurz, dargestellt, lange bevor man, aus welchen Gründen auch immer darauf herumgestiegen ist. Gemeinhin hielt man sich auf dem Grund auf und schaute nach oben. Man beobachtete das Verschwinden der Sonne hinter den Gebirgsmassen und den Aufgang der Gestirne am Abendhimmel.

Zwar gab es immer Menschen, die oben waren, sich in den hochgelegenen Tälern angesiedelt hatten und die Almböden zur Selbstversorgung bewirtschafteten. Auch Jäger, Naturkundler, Kräuterfrauen und -männer und schließlich Gelehrte durchstreiften Jahrhunderte lang die einsame, bergige Wildnis.



Im Nachforschen über den Initialpunkt für unsere Auseinandersetzung mit dem Bergmotiv, während und nach unseres Assistenzaufenthaltes bei Arnulf Rainer in Teneriffa, fand ich Notizen wieder. Es sind Beschreibungen eines Ortes der Kraft, in unzugänglicher Lage, direkt am Ufer. Ein Ort in würziger Luft, schroff, saturnisch in manchen Hinsichten, die behebigen Wassermassen und die Geworfenheit der Felsen. In sattem goldocker leuchtend, am Abend, kurz vor dem Sonnenuntergang.

Ich erwähne das jetzt, unter Weglassung all des Angelesenen, das mich im Laufe der Arbeit an der Ausstellung beschäftigte: Wir sind keine Bergsteiger und auch die Wanderlust kennen wir kaum. Wir sind Stadtbewohner. Allenthalben sieht man uns durch die Gassen gehen.

Wir haben uns hier eingerichtet, in der schönen Stadt zwischen den Bergen.

Unten stehen und schauen, staunen auch und oft, das ist unser Ding. Nicht hinaufgehen.

Den Respektabstand wahren.

Der Blick auf den kleinen Hausberg im Zentrum vom Atelier aus und auf der anderen Seite der Kühberg, dem sich der deutlich höhere Gaisberg anschließt. Die Augenruh.

Wenn der offene Blick auf den Berg die Gewissheit eines Ortes vollkommener Gelassenheit aufkommen läßt. Keine Inbesitznahme, kein will haben. Nur diese Präsenz am Horizont.

Daß sich die unausgesetzte Betriebsamkeit des Menschen längst bis in alle Höhen hinauf ausgebreitet hat ist uns bewußt. Und seit tausende Naturkonsumenten und Sportskanonen die Bergwelt bevölkern, ist der in manchen Momenten aufkommende Wunsch, doch einmal auch oben gewesen zu sein, einem Gefühl der Zwecklosigkeit gewichen. Zwar ist mein Wunsch, gleichbedeutend mit dem aller Anderen, doch der Verlust der Qualitäten, die unberührte Natur ausstrahlen kann, ist durch die massenhafte Präsenz des Menschen besiegelt. Im Laufe dieser Arbeit bin ich zu jemandem geworden, der versteht, daß man Berge anbetete.

(...)

Der Ausgangspunkt unserer Arbeit war die einfache, ursprüngliche Faszination für die Naturformen.

Die vielschichtigen Bedeutungsebenen eröffnen sich nur allmählich, bis hier her, wo wir den Mut finden, das Lot noch ein Stück tiefer hinab zu lassen.

Ateliernotiz 30.3. 2014 F.F.



Im Laufe unserer Arbeit stießen wir auf verschiedene Literaturen: Zu Beginn, wie schon bei früheren Projekten, Joseph Beuys, ‚Die Eröffnung – Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt‘ und darauf folgend eine Recherche im Archiv archetypischer Symbole (C.G.Jung). In diesem Zusammenhang fanden wir aufschlußreiche Essays von Aniella Jaffè: ‚Bildende Kunst als Symbol‘, ‚Sakrale Symbole – der Stein und das Tier‘, ‚Das Symbol des Runden in der Kunst‘ und ‚Der Geist der Dinge und das Unbewußte‘.

Darauf folgte Martin Heidegger, ‚Der Satz vom Grund‘ – Vorlesungen.

Der Titel unserer Ausstellung war zu diesem Zeitpunkt schon seit längerem festgelegt. Mit der philosophischen Lektüre eröffnete sich die Tiefendimension des Themas. Wir wußten noch nicht, daß ‚Übern Grund‘ zu arbeiten ist. Und als wir es wußten, verstanden wir es vorerst nicht.

Im langsamen Fortschreiten wuchs die Einsicht.

Auf der horizontalen Ebene reihen sich Ansichten neben Ansichten, in der zeitlichen Folge ihres Entstehens.

Die Vertikale bietet in gewisser Weise alles das auf, was man nicht sieht.


Martin Heidegger: Nihil est sine ratione‘. Man übersetzt: Nichts ist ohne Grund.

Unser Verstand hält stets Ausschau nach Gründen.

Das menschliche Vorstellen sucht notwendiger Weise immer nach einer Begründung.

Dieses Tun ist älter als der Satz selbst, der es ausspricht.

Ergründen und Begründen bestimmen unser Tun und Lassen.

Wir können allerdings auch fragen, und zwar allein und genau deshalb,

weil unser Tun und Lassen so beseelt ist:

Aus welchem Grund ist unser Tun ergründend und begründend?

(...)

Der Satz vom Grund wird von uns überall als Stütze und Stab benützt und befolgt,

zugleich stürzt er uns aber, kaum daß wir ihm in seinem Sinne nachdenken, ins Grundlose, (…).

Ins Äußerste gesprochen heißt dies: ‚Der Satz des Grundes ist der Grund der Sätze.‘

Hier ist ein Anfang, der schon Vollendung ist.*

Martin Heidegger – Denkwege ‚Der Satz vom Grund‘ 1./2. Vorlesung


Die Leseerfahrung entlang der künstlerischen Arbeit ist eine Art des Steigens und Kletterns. Zufällig eröffnen sich Wege und Haltepunkte. Es blieb ab da unklar, ob eine Ausstellung unter dem Titel ‚Übern Grund‘ überhaupt gelingen kann, (sofern man sich nicht mit Vordergründigem zufrieden gibt). Da die Arbeit in allen seinen Phasen direkt vom Grund her zu schöpfen ist, bleibt letztlich nur noch ein schmaler Grat auf dem man sich fortzubewegen hat. Denn erstens liegt der Grund fern, (es gibt jede Menge Begründungen, allerdings), und man weiß nur in Momenten, ob man schon angekommen ist. Und zweitens können die ausgestellten Arbeiten nicht im gewohnten Sinne informativ sein. Niemand kann letztlich wissen, auf welchem Grund wir gestanden sind und auf welche Weise wir jetzt, kurz vor der Eröffnung, gegründet sind. Die Arbeit dauert an.


Um die Liste der Literaturen zu vervollständigen wären noch zu nennen: Zwei Beispiele aus der weitläufigen Bergliteratur, Reinhold Messner; ‚Gehe ich nicht, gehe ich kaputt‘ – Briefe aus dem Himalaja und ‚Diamir, König der Berge‘ Schicksalsberg Nanga Parbat.

Weiters , Michael Ende ‚Die unendliche Geschichte‘

und nicht zuletzt Francesco Petrarcas Bericht seiner Besteigung des Mont Ventoux (1336) und seine Wirkungsgeschichte, Ruth und Dieter Groh, ‚Die Außenwelt der Innenwelt‘ und Mircea Eliades Auseinandersetzung mit den Mythen des Eisens, ‚Schmiede und Alchimisten‘.


Etwas jenseits dieser philosophischen und kulturwissenschaftlichen Bereiche ist für uns alle in diesem konkreten geschichtlichen Moment, die Frage nach den Gründen der zu erwartenden oder bereits eingetretenen globalen Misere, die Dringlichste. Bis in die tieferen Gründe hinein erschüttert den denkenden Mensch die gewaltsame Veränderung und Zerstörung gewachsener Strukturen, die Umwertung der Werte, die Mehrheitsfähigkeit demokratiefeindlicher Parteien, die Zerstörung der letzten Naturräume durch gewaltsames Wirtschaften, … .

Forschen ‚Übern Grund‘ heißt (auch) erkennen und verstehen von Verhältnissen.

Helga Peskollers Buch ‚BergDenken‘ war uns in diesen gesellschaftspolitischen Dimensionen des Themas die wichtigste Führung. Die Extrembergsteigerin stellte sich im Rahmen ihrer Doktorarbeit (Erziehungswissenschaften) die Frage nach dem Grund ihrer Leidenschaft und lieferte uns damit die Werkzeuge, um in der letztgültigen Ausrichtung der Ausstellung Klarheit zu gewinnen. Ihrem Buch haben wir auch den Titel ‚Übern Grund‘ entnommen.

Somit sind die wichtigsten Einflüße unseres Arbeitens offengelegt.

Die grundlegenden Begriffe zum Verständnis unserer Arbeit lauten:

Abstraktion, Gravitation, Inhalt und Form.


Ab einem gewissen Moment war für uns beide klar, daß, so weitreichend die Vorbereitungen auch immer gedeihen, sobald die Arbeiten in die Galerieräume verbracht sein werden, ein neuer Abschnitt, (der entscheidende) beginnen würde und die Karten noch einmal neu zu mischen sein werden. Mit der Ausstellung verbindet sich für uns jedesmal neu die Utopie, daß es möglich sein kann, Dingen ihren Ort zu geben und den Ort wieder zu sehen, von dem ein Ding herkommt.

Helga Peskoller hat es an einer Stelle so formuliert: ‚Durch die Gesetztheiten hindurch ist ein Ort zu erinnern, von dem aus erst wieder gedacht werden kann‘.

Anmerkungen zur Setzungsanalyse Helga Peskoller, ‚BergDenken‘ S.38 ff


 

Darüber hinaus gibt es jetzt für uns ein Gefühl der Dankbarkeit.

Auch und besonders allen jenen gegenüber, die uns unterstützen.

Franz Frauenlob (16.4. 2024)


 

 

 

 

 

 


Sonntag, 24. März 2024

"Bleib"



 





Doku zur Ausstellung "bleib"
von Klara Kohler und Franz Frauenlob
20ger Haus Ried
 
https://www.20gerhaus.at/programm-2024/m%C3%A4rz-mai-kohler-frauenlob-1/
 




 


Sonntag, 25. Februar 2024

Ankündigung zur Ausstellung "Bleib"

 


Herzliche Einladung zur Ausstellung "Bleib" 

von Klara Kohler und Franz Frauenlob

im 20ger Haus Ried

Eröffnung 21.März 2024

Details unter

https://www.20gerhaus.at/programm-2024/m%C3%A4rz-mai-kohler-frauenlob-1/

Eindrücke aus dem Atelier

 

Franz Frauenlob und ich arbeiteten an meinen Holzschnitten für unsere gemeinsame Ausstellung in Salzburg.

Einladung folgt demnächst.